Erklärung über Erduntergang
am 3. April 2053 infolge zusamenpral des Eiskomet mit Komet Bila, Hauptkomet, in unberechenbarer Ferne am westlichen Horizont, Sone, Mond, Sterne erbleichen, stürzen senkrecht in endlose nacht.
Oskar Herzberg, vor 1912
Oskar Herzberg war Grafiker, Setzer, Dienstmann und Patient der Psychiatrie. Seine komplexen Weltuntergangs-Visions-Zeichnungen – stets kommentiert mit einer unsicheren Orthographie – sind derzeit in Admont in der Sammlung des Psychiaters Prinzhorn ausgestellt. Es ist Kunst die aus dem Herzen kommt. Kunst mit einer Vorliebe für Transzendentes. Wie auch die Kunst von Markus A. Huber
Der Weltraum ist Hauptthema von Markus Huber. Er ist Naturwissenschaftler, Facharzt für Chirurg und Künstler. Seine stets in Serie entstandenen, komplexen Bilder sind von einer leidenschaftlichen Intensität. Space forming oder non confundar in aeternum (die letzte Zeile des Te Deums) nennt er seine grafisch strukturierten Werke die Energiefelder, Leerräume, kosmische Verstrickungen und Zusammenstösse im Universum zeigen. Huber bietet uns einen fundierten, faszinierenden Blick in den Kosmos. Seine Kunst basiert auf physikalischen Erkenntnissen. Vor allem die Kosmologie, ein Teilgebiet der Physik und der Philosophie der Naturwissenschaften beschäftigt den Künstler. Seine Bilder erinnern an die kleinsten Strukturen des Universums: Asteroiden, Planeten, Staubpartikel, Moleküle, Atome, Elementarteilchen ziehen ihre unendlichen Bahnen auf Leinwänden und handgeschröpften Papieren. Es scheint als wolle der Künstler die gesamte Quantenphysik: die Andromeda Galaxie oder das Hubble Ultra Deep Field, das bislang tiefste Bild das Universums, das 2003 bis 2004 aufgenommen wurde, künstlerisch neu entdecken und auf die Leinwand bannen.
Künstler haben generell tiefere Einblicke, sie sind Spurensucher, Seismographen, Erforscher und Aufzeiger ihrer Zeit.
Das phänomenale Hubble Field enthält 10.000 Galaxien. Hubers Bilder enthalten mindestens 10.000 Linien mit schier endlosen Verschränkungen. Mit großer Intensität bemächtigt sich der Künstler der komplexen Materie. Mit zeichnerischer Ausdauer, Konzentration und höchster Subtilität geht er ans Werk.
„Schönheit aus Wehmut geboren“ so lautet der poetische Titel einer Werkserie aus 2006 oder die Bernstein-Folge, entstanden 2008, die in honigsüßen Farben in ihren Verdichtungen hintergründig die große Leere birgt. Strahlendes Gelb, feuriges Rot oder himmlisches Blau verführen, ebenso wie magisches Hell/Dunkel oder die Haargespinsten gleichenden Linien, die auf nuanciertem Weiß gleiten. Manche der extrem dreidimensional, reliefartig angelegten Grafiken auf strukturierten, gewellten Papieren verweisen direkt an ferne Kraterlandschaften.
Auf den ersten Blick sind Hubers Arbeiten waghalsig und riskant, weil gefährlich schön, gekonnt, perfekt. Jeder Stich sitzt und das seit nahezu 16 Jahren. Alle Bilder und Serien haben ihren eigenen Ton, ihren poetischen Farbklang. Musikalische Klänge sind es auch, die Huber inspirieren. Ob Anton Bruckners Te Deum oder der 1935 in Estland geborene Komponist ARVO PÄRT, der Luxemburger Camille Kerger bzw. der aus dem Burgenland stammende Geiger Bernd Gratwohl, auf ihre musikalischen Schöpfungen reagiert Markus Anton Huber unmittelbar. Es gibt engste Verschränkungen und gegenseitige Beeinflussungen zwischen den Musikkompositionen und den Improvisationen auf Papier. Der Betrachter erliegt umgehend dem Zauber einer grandios beherrschten Farbe und eines virtuosen Strichs, und doch liegt es Huber ferne, dem Idyllischen nachzuspüren. Zu sorgfältig ist seine Technik, zu wissenschaftlich, zu elementar sein Bildthema. Die Suche nach der inneren Wahrhaftigkeit tritt vor rein Poetisches. Die Neigung des Künstlers und Naturwissenschaftlers allen Dingen auf den Grund zu gehen, sie noch genauer, jedenfalls intuitiver, als das Weltraumobjektiv zu erfassen, führt zu immer neuen grafischen Herausforderungen.
Hubers „janusgesichtige“ Bilder kommen aus dem Unterbewusstsein. Sie sind gezeichnete Emotion, zugleich grazil, zart und wissenschaftlich.
Die Natur, der Kosmos, ist, wie wir aus den global-news wissen, ebenso faszinierend wie unberechenbar. Naturkatastrophen weisen uns seit jeher in Grenzen, bremsen die Hybris des Menschen und Weltraumkatastrophen werden ohnedies seit Urzeiten prophezeit.
Für die Mayas, eine der bedeutendsten Hochkulturen des präkolumbianischen Amerikas wird das Ende der Welt am
21. Dezember 2012 kommen. Die Mayas waren vollendete Astronomen. So gab es im „zeremoniellen“ Bezirk bereits Tempel und Türme, die der Planeten- und Sternbeobachtung dienten. Von diesen Observatorien wurden Sonnenuntergangspunkte anvisiert und Tag- bzw. Nachtgleichen, Sonnenwenden oder die Laufbahn der Venus mit verwunderlicher Genauigkeit ermittelt. Der Mondmonat wurde auf 23 Sekunden genau berechnet und exakte Kalender mit Schalttagen erstellt. Die Zeit und die Gestirne spielte für Aussaat und Ernte eine wichtige Rolle, Kriegszüge, grausame Opferrituale und Hochzeiten wurden nach dem Kalender gefeiert.
Die Kultur der Mayas hat ihren Untergang bereits hinter sich. Wir haben ihn vielleicht noch vor uns. 2012, durch ein kosmisches Ereignis, wie manche Esoteriker oder die Mayas behaupten ist das Ende der Welt angesetzt. Oder doch erst 2053, wie der eingangs zitierte „Irre“ Oskar Herzberg detailliert prophezeite? Sind Hubers Bilder seismographische Vorboten? Wenn alle Geheimnisse gelüftet werden, wenn sich unser Wissen gegen die Natur wendet, ist der Untergang vorprogrammiert. Es sind dem menschlichen Gehirn entspringende, festgeschriebene Gedanken, die das Chaos, eine gefährliche Feuersbrunst ,ausgelöst von kryptischen Prophezeiungen, entfachen.
Durch die revolutionären Erkenntnisse der Quantenphysik ist Markus Anton Huber mit seinen raum- und zeitübergreifenden Themen direkt am Puls der Zeit. Wie Thomas Ruff, Starfotograf, der kürzlich in der Kunsthalle Wien seine kosmischen Fotografien der NASA-Raumsonde präsentierte. Ruff und Huber setzen ihren Motiven keine Grenzen. „Die Fotografie kann nur die Oberfläche der Dinge abbilden“, lautet das Diktum Ruffs. Hubers Arbeiten, basierend auf dem Spiel mit Ein- und Mehrdimensionalität, verbleiben nie an der Oberfläche, sie gehen in die Tiefe.
Huber ist den klassischen Bildmedien, der Malerei und Zeichnung verpflichtet. Er baut auf eine Tradition bedeutender aus Oberösterreich stammender Zeichner. Alfred Kubin, Klemens Brosch oder Othmar Zechyr, komponierten ebenso Seelenlandschaften wie kosmische Visionen, gedichtete wie gezeichnete Untergangszenarien. Die „andere Seite“ hat in Oberösterreich Tradition, der suchende, oft verzweifelte Mensch am Sternenhimmel wird zum Symbol einer im rasanten Umbruch befindlichen Gesellschaft.
Huber ist Vollblutzeichner und ein Druckgrafiker mit dem Hang/Zwang zur Perfektion. Die Arbeit mit der Nadel liegt dem Arzt sichtlich im Blut. Waren es einst die Injektionen oder das Skalpell, die punktgenau gesetzt werden mussten, ist es nun der Haarpinsel, die Feder bzw. die Nadel, die über die präparierte Kupferplatte oder die Leinwand mit rasender Energie gleitet. Huber, der Chirurg, schneidet nicht mehr in weiche Haut, er fügt der unversehrten Leinwand Schnitte – Heilung – zu. Erhabene Stege, Vertiefungen, feinste Linien und Farbfelder verschmelzen intuitiv mit feinsinnigster Naturbeobachtung, verknäueln, verweben, lösen sich, driften auseinander, werden dann wieder angezogen. Hubers Stift gleitet geradezu tranceähnlich, automatisch über den Bilduntergrund, – unabhängig ob der Bildträger eine Leinwand ist, oder Bütten- oder Japanpapier.
Der französische Begriff Écriture automatique (dt.: automatisches Schreiben, automatischer Text) erklärt Hubers Zeichenmethode am besten. Aus dem Innersten auftauchende Bilder, Gefühle oder Texte werden in meditativem Zustand unreflektiert wiedergegeben. Die Surrealisten propagierten diese schriftstellerische Form der Freien Assoziation als eine neue Form der Poesie und der Experimentellen Literatur. André Breton hat die Écriture automatique als „Denkdiktat ohne jede Kontrolle der Vernunft“ beschrieben, als Vorgang, bei dem das Schreiben oder Zeichnen dem Denken unzensiert folgt, ihm gleichsam hinterherläuft. Der Künstler schafft im Dämmerzustand, er ist sozusagen „unbewusst“ oder „an der Schwelle des Traums“.
Das Zeichnen, das im Unbewussten startet, wird zur Lebenssubstanz, der grafische Gestaltungsprozesse in Serie führt zur „Besessenheit“, die Akribie wird zum Markenzeichen. Der Arzt entdeckt quasi in Trance oder in Musikmeditation neue Wahrnehmungswelten, erfährt Entgrenzungen von Zeit und Raum, beschreibt das „Andere, das Nichtbenennbare“.
„Es sind die inneren Zustände, die mich anziehen und faszinieren, das Geträumte und Unsichtbare, die große Kraft, die das Weltenrad antreibt und bewegt. (Die Knäuel von Strichen und Linien ziehen sich nach diesen Kraftwirkungen und verfolgen die Bewegungen der Moleküle und Elementarteilchen auf ihren Beziehungsbahnen). Die Leinwand ist das abgeschlossene System, die Zeichnung ist die visualisierte Entropie in diesem System. Dahinter die konzentrierte Stille, die ewige Leere, die die Fülle gebiert und in das Leben generiert. (Die Attraktion des Zeichnens liegt für mich paradoxerweise im Ungenannten, nicht in Begriffen Kommunizierbaren, im scheinbar Chaotischen.)“ Markus Anton Huber
Elisabeth Nowak-Thaller, Auszüge aus dem Manuskript anlässlich der Rede in der Galerie in der Schmiede, Pasching am 9.10.2009